Geschichte

Recht im ländlichen Raum 35 Jahre Österreichische Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht von Roland Norer

Die Österreichische Gesellschaft für Agrarrecht (ÖGAR) wurde 1968 und damit nach den meisten verwandten Vereinigungen in Europa gegründet. Anstoß dazu hatten insbesondere die Kontakte mit deutschen und Schweizer Kollegen beim Europäischen Agrarrechtskongress in Bad Godesberg 1967 gegeben. Auf den Gründungsbeschluss des Proponentenkomitees der ÖGAR am 15. Dezember 1967 erfolgte die Aufnahme der Gesellschaftstätigkeit mit der Gründungsversammlung am 15. März 1968 in Innsbruck.[1] Gründungspräsident war der Universitätsprofessor (und damalige Rektor) der Universität Innsbruck und frühere Unterrichtsminister Dr. Ernst Kolb, als Vizepräsidenten fungierten der Amtsvorstand der Agrarbezirksbehörde Bregenz und nachmalige Universitätsprofessor an der Technischen Universität Wien Dr. Josef Kühne, sowie der Kammeramtsdirektor und nachmalige Tiroler Landeshauptmann Dipl.-Ing. Dr. Alois Partl. Die Gesellschaft hatte den Sitz zunächst in Innsbruck, der aber 1972 nach Wien verlegt wurde. 1990 erfolgte die Umbenennung in Österreichische Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht (ÖGAUR)[2]. Ihre Präsidenten wurden 1972 o. Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan, 1978 Dr. Ernst Massauer und 1993 Univ.-Prof. Dr. Gottfried Holzer
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Der Zweck der Gesellschaft besteht laut Satzung unter anderem in der Pflege des Agrar- und Umweltrechts “im weitesten Umfang”, in der engen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis, in der Weckung des öffentlichen Interesses am Agrar- und Umweltrecht, in der Förderung wissenschaftlicher Arbeiten und Forschung auf diesen Gebieten, in der Durchführung wissenschaftlicher Veranstaltungen und in der Beratung von Körperschaften und Behörden in Fragen des Agrar- und Umweltrechts.
Diesem Satzungsauftrag entsprechend wurde besonderer Wert darauf gelegt, einerseits die Ergebnisse rechtssystematischer Arbeit auf den verschiedenen Gebieten der Praxis dienstbar zu machen, und andererseits aus den Bedürfnissen und immer vielfältiger werdenden Rechtsbezügen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und der landwirtschaftlichen Genossenschaften die Schwerpunkte für die rechtswissenschaftliche Arbeit abzuleiten.

Heute liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Befassung mit dem Agrarumweltrecht, also den vielfältigen Schnittstellen zwischen Agrar- und Umweltrecht. So war beispielsweise der obligate Vortrag im Rahmen der Vollversammlung im Dezember 2001 dem Thema “Mindeststandards in der Produktion” gewidmet.

Zu den derzeit über hundert Mitgliedern der Gesellschaft zählen Agrar- und Umweltrechtsexperten aus dem Bereich der Universitäten, der Bundes- und Landesverwaltung sowie der Kammern. Auch juristischen Personen, wie dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, einzelnen Bundesländern, Kammern, Berufsverbänden, Kreditinstituten oder zahlreichen europäischen Agrarrechtsgesellschaften steht eine Mitgliedschaft offen.

„Die Geschäfte der Österreichischen Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht führt ein Vorstand von dreizehn Personen. Das Präsidium bilden seit Juni 2014 der Präsident Univ.-Prof. Dr. Roland Norer (Univ. Luzern), die Vizepräsidenten Dr. Anton Reinl (Leiter der Abteilung Rechts-, Sozial-, Steuer- und Umweltpolitik in der LK Österreich), Dr. Franz Jäger (Sektionschef im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), der Kassier Mag. Hannes Kronaus (AMA) und der Geschäftsführer Mag. Martin Längauer (LK Österreich). Die Geschäftsstelle ist bei der LK Österreich eingerichtet.“

Unter dem Titel “Agrar- und Umweltrecht” gibt die Gesellschaft seit 1991 eine eigene Schriftenreihe heraus, von der bis dato vier Bände erschienen sind.

Zuvor erfolgte die Förderung agrarrechtlichen Schrifttums durch Unterstützung der Herausgabe einzelner Bände in der Schriftenreihe für Agrarwirtschaft und in der Schriftenreihe des Österreichischen Instituts für Agrarsoziologie und Agrarrecht in Linz.

Außerdem vergibt die ÖGAUR für Arbeiten auf dem Gebiet des Agrar- und Umweltrechts im weitesten Umfang den 1975 gestifteten “Hans-Karl-Zessner-Spitzenberg-Preis”.

Diese Arbeiten müssen statutengemäß geeignet sein, die wissenschaftliche Durchdringung des österreichischen Agrar- und Umweltrechts zu vertiefen und das öffentliche Interesse am Agrar- und Umweltrecht zu wecken und zu pflegen. Der Preis wurde zwischen 1977 und 1997 bislang siebenmal vergeben: Preisträger waren Eberhard Lang, Teilwaldrechte in Tirol (1977); Brigitte Gutknecht, Arbeiten zum Thema Gesellschaftsrecht und Land- und Forstwirtschaft (1979); Ruth-Elvira Groiss, Agrarrecht und agrarrechtliche Eigentumsbeschränkungen (1981); Gottfried Holzer, Agrarraumplanungsrecht (1983); Max Eichler, Dimensionen des Agrarrechts (1987); Gebhard Küng, Das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz (1990); Susanne Kalss, Forstrecht – Walderhaltung und Umweltschutz (1997).
Nach einer Vortragsveranstaltung über das “Österreichische Agrarrecht unter EU-Bedingungen” zum dreißigjährigen Bestehen der Gesellschaft 1998 ist es um die Aktivitäten der ÖGAUR still geworden. Mit der Generalversammlung vom 3. Dezember 2001 aber wurden die Weichen für einen Neubeginn gestellt.

Im Juni 2002 berichtete Professor Dr. Christian Grimm, Rechtsfächer an der Fachhochschule Weihenstephan, über “Entwicklungen im Agrarrecht: 1. Schutzgebietsausweisungen und Auswirkungen auf die Landwirtschaft; 2. Der Landwirt im Handelsrecht”. Im ersten Teil wurde Art. 14 deutsches GG im Widerstreit zwischen der grundrechtlich geschützten Position des Grundeigentums und der Sozialpflichtigkeit reflektiert. An Hand anschaulicher Beispiele erläuterte Prof. Grimm die deutsche Judikatur zu der diffizilen Grenzziehung zwischen entschädigungslos hinzunehmender Sozialbindung und der mit einem Entschädigungsanspruch verbundenen Enteignung.6 Im zweiten Teil ging es um die sowohl in Deutschland als auch in Österreich geführte Diskussion, den Landwirt in einen zu schaffenden allgemeinen Unternehmerbegriff einzubinden.

Die bislang letzte Veranstaltung war die Vollversammlung im Februar 2003, wo wiederum Prof. Dr. Grimm, diesmal in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht, über deren Organisation und Tätigkeitsschwerpunkte referierte. Die Arbeit der 1964 gegründeten “Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht – Vereinigung für Agrar- und Umweltrecht e.V.”mit Sitz in Bonn erfolgt im Wesentlichen in neun Ausschüssen zu den Bereichen Forst- und Jagdrecht, landwirtschaftliches Bodenrecht und Enteignungsrecht, landwirtschaftliches Erbrecht, landwirtschaftliches Sozialrecht, landwirtschaftliches Steuerrecht, Strukturfragen und Agrarwirtschaftsrecht, Tierzuchtrecht, Umweltrecht sowie Agrarrechtsseminare, worin sich bereits die Weite agrarrechtlicher Inhalte manifestiert. Im dem Umweltrechtsausschuss angegliederten Ausschuss Alpenregion treffen sich deutsche, österreichische, Schweizer und Südtiroler Agrar- und Umweltjuristen zum Meinungsaustausch über speziell die alpenländische Landwirtschaft betreffende rechtliche Fragen. Weiters werden jährlich mehrere Tagungen und Seminare abgehalten.

Auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der österreichischen und deutschen Gesellschaft wird in Zukunft ein besonderes Augenmerk zu legen sein.
Der seit 1961 alle zwei Jahre abgehaltene Europäische Agrarrechtskongress im Rahmen des Comité Européen de Droit Rural, der Dachorganisation aller europäischer Agarrechtsvereinigungen, wird im Oktober 2003 in Almeria/Spanien stattfinden. Die Themen umfassen in der Kommission I die Rolle und Haftung des Landwirts im Umfeld Landwirtschaft, Umwelt und Ernährung und in der Kommission II die Agrarwirtschaft im Lichte des europäischen und nationalen Wettbewerbsrechts. Der Round Table wird diesmal den Auswirkungen der WTO auf die GAP und das nationale Agrarrecht, insbesondere mit Bezug auf die ökologische Landwirtschaft, gewidmet sein. Die ÖGAUR wird sich um die Vertretung Österreichs bei dieser größten und wichtigsten Veranstaltung dieser Art sowie um die Nominierung der Landesberichterstatter bemühen.
Über diese und alle anderen Aktivitäten der Österreichischen Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht wird – eine alte Tradition aufnehmend – regelmäßig in der Agrarischen Rundschau zu berichten sein.
Mit 35 Jahren kann die ÖGAUR heute auf bewegte, vornehmlich vom nationalen Agrarrecht dominierte Jahre zurückblicken. Gleichzeitig ist sie aber erfahren und wohl noch jung genug, um auch die Herausforderungen der Zukunft, die mehr denn je von der Agrar- und Umweltpolitik auf Gemeinschaftsebene dominiert sein werden, zu meistern. Ad multos annos!

1. Vgl. Mitteilungen in Recht der Landwirtschaft (RdL) 1968, 63 und 94 f; Massauer, Österreichische Gesellschaft für Agrarrecht, Agrarische Rundschau 1979/3, 6.
2. Die Statuten der Gesellschaft betreffend die Formulierung ihres Zwecks (§ 2) spiegeln die Entwicklungen wider: 1968 “Landwirtschaftsrecht”, 1972 “Agrarrecht”, 1990 “Agrar- und Umweltrecht”
3. Massauer (Fußn. 1) 6.
4. Band 1: Exel, Der Reichsnährstand in Österreich – Eine Analyse der ideologisch bedingten volkswirtschaftlichen und agrarpolitischen Zielvorstellungen des Reichsnährstandes, deren praktische Verwirklichung und Auswirkung, 1991 (vergriffen); Band 2: Maurer-Rogy/Maurer/Gatterbauer, Marktchancen für österreichische Lebensmittel und Agrarprodukte in der EG, 1992; Band 3: Höchtl, Land- und forstwirtschaftliche Bringungsrechte – Das Güter- und Seilwegerecht und die forstliche Bringung, 1997; Band 4: Penker, Zusammenstellung des österreichischen Agrarlandschaftsrechts, 1997 (vergriffen).
5. Vgl. Welan, Ein Preis in memoriam Hans-Karl Zessner-Spitzenberg, in: Gatterbauer (Hrsg.), Kontinuität und Wandel im Agrarrecht. 10 Jahre Österreichische Gesellschaft für Agrarrecht (1979).
6. Der Vortrag wurde veröffentlicht: Grimm, Landwirtschaftliches Eigentum und Schutzgebietsausweisungen BRD, Universität für Bodenkultur – Diskussionspapier Nr. 95-R-02 (2002).
7. Vgl. Krejci/Schmidt, Vom HGB zum Unternehmergesetz (2002).
8. Vgl. Winkler, 30 Jahre Deutsche Gesellschaft für Agrarrecht 1964 – 1994, AgrarR 1995, 78 ff.
9. Die größten sind das traditionell im Oktober gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein veranstaltete mehrtägige Agrarrechtsseminar in Goslar und die abwechselnd in den einzelnen deutschen Bundesländern stattfindende Frühjahrstagung.